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Dienstag, 03 April 2018 15:04

Exponat des Monats April

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Gipsvorlage für die Replik des Neidkopfes an der Weidelsburg Gipsvorlage für die Replik des Neidkopfes an der Weidelsburg Beate Bickel

Der Neidkopf von der Weidelsburg

von Bernd Klinkhardt


In der Abteilung „Burg und Stadt im Mittelalter“ des Regionalmuseums Wolfhager Land wird seit einiger Zeit ein aus Sandstein gehauener stark verwitterter Kopf eines Fabelwesens oder Ungeheuers präsentiert. Erkennbar sind nur noch die Reste einer herausgestreckten Zunge und im Stirnbereich kaum noch erkennbar vermutlich zwei  Widderhörner.

Der Sandsteinblock mit dem an seiner Vorderseite herausgearbeiteten Kopf war an der Außenseite der Nordwand des Westturmes der Weidelsburg  zwischen den beiden Fenstern im 1. Stock in die Mauer eingebaut.
Bei dem Ungeheuer-Kopf handelt sich um einen „Neidkopf“. Neidköpfe aus Holz oder Stein waren im Mittelalter oft an Türen und Giebeln von Häusern, aber auch an Brücken, Kirchen und Burgen angebracht. Sie dienten nach Volksglauben als Abwehrzauber gegen Unheil, Dämonen, böse Mächte und Feinde. Der Brauch ist vermutlich keltischen Ursprungs.
Die Bezeichnung „ Neidkopf“ geht auf den Berliner Volkskundler Alexander Cosmas zurück, der erstmals 1831 eine steinerne Fratze an einem Berliner Haus so bezeichnete. Das althochdeutsche  bzw. auch mittelhochdeutsche Wort „nit“ oder „nid“ bedeutet Kampf, Hass, Zorn und Feindschaft jeder Art.(Das heutige Wort Neid hat somit seit dem Mittelalter eine Bedeutungsverengung erfahren.)
Neidköpfe im Eingangsbereich von Burgen dienten vornehmlich zur Abschreckung und Verhöhnung von Feinden. Sie brachten zugleich zum Ausdruck, dass man den eigenen Herrschaftsanspruch behaupten will und sich auch vor gewaltsamen Auseinandersetzungen nicht scheut.
Es ist nach bisherigem Kenntnisstand zur Baugeschichte der Weidelsburg davon auszugehen, dass der Weidelsburg-Neidkopf im Rahmen des Ausbaus der Weidelsburg durch den Amtmann und Ritter Reinhard von Dalwigk zu einem repräsentativen Wohn- und Herrschaftssitz in den 20er Jahren des 15. Jahrhunderts mit der Aufstockung des Westturmes in dessen Nordseite installiert wurde. Reinhard von Dalwigk war in zahlreiche Fehden mit anderen Herrschaftsträgern verwickelt und musste sich vieler Feinde erwehren. Die Gestaltung des Neidkopfes ist Ausdrucks des machtbewussten und selbstherrlichen Auftretens Reinhards. Die Widderhörner sind ein uraltes Sinnbild für Willenskraft und Durchsetzungsvermögen, die herausgestreckte Zunge ist vor allem Zeichen des Spotts und Verachtung feindlicher Neider.
In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts war der Neidkopf schon sehr verwittert. Bewohner des Dorfes Ippinghausen sahen ihn ihm das verunstaltete Gesicht des  Ritters Reinhard von Dalwigk. Reinhard Freiherr von Dalwigk deutete in seinen „Denkwürdigkeiten und historischen Skizzen der Familie von Dalwigk“, Darmstadt 1841, den Neidkopf als eine Art Abbildung eines berühmten Vorfahrens aus dem Adelsgeschlecht von Dalwigk.
Im Rahmen der Sanierung der Burgmauern im Jahre 2008 ließ der Förderverein zur Erhaltung der Weidelsburg den extrem verwitterten Original-Neidkopf durch eine Replik ersetzten. Steinmetzmeister Uwe Bächt aus Naumburg-Elbenberg war mit der Herstellung betraut. Als Material für die Replik verwendete er heimischen Sandstein. Zuvor hatte er in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege eine Vorlage aus Gips erstellt, die heute im Museum aufbewahrt wird.


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