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Donnerstag, 01 Februar 2018 10:12

Exponat des Monats Januar

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Bernd Klinkhardt präsentiert das Bajonett Bernd Klinkhardt präsentiert das Bajonett Beate Bickel

Bajonett der Wolfhager Bürgergarde (1830-1850)
von Bernd Klinkhardt

„ Ich möchte nicht, dass das seit vielen Jahren bei mir zu Haus aufbewahrte alte Bajonett im Privatbesitz eines Militariasammlers landet, sondern ins Wolfhager Museum kommt, denn es gehört zur Geschichte unserer Stadt Wolfhagen“. (Ludwig Degenhardt, Wolfhagen)
Seit Februar 2018 hat das Bajonett seinen Platz in der Militariavitrine in der Abtei-lung der „Bürger in der Gesellschaft“ des Regionalmuseums gefunden.

Das Bajonett gehörte einst zur Ausrüstung der Wolfhager Bürgerwehr. Von der umfangreichen Ausrüstung einschließlich der prächtigen Fahne sind, bedingt durch die Wirren des Kriegsendes 1945, nur ein Tschako, eine Patronentasche, zwei Pulverhörner und eine leere Bajonett-Lederscheide  erhalten geblieben. Ein einfach gearbeitetes Mannschaftsbajonett ohne Herstellerkennzeichnung mit der dazu ge-hörenden Lederscheide ergänzt nun die Sammlung. Seine Gesamtlänge beträgt 67 cm. Die schlichte Parierstange und der einfache Griff mit dem Bajonettverschluss und dem angedeuteten Knauf bestehen aus Messing, die einschneidige Klinge mit Sägeteil aus geschmiedetem Stahl.
Bürgerwehren oder Bürgergarden entstanden im Zusammenhang mit Unruhen und liberalen Bestrebungen gegen die restaurative Politik in den Einzelstaaten des Deutschen Bundes ab 1830 u.a. auch in Kurhessen. Hauptziele des liberalen Bürgertums waren: Eine Verfassung, Meinungs- und Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und nicht zuletzt eine zeitgemäße Volksbewaffnung anstelle des stehenden Heeres.
Die kurhessische Regierung verordnet am 11.10.1830 „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und gesetzlichen Ordnung (…) eine zeitgemäße Bürgerbewaffnung“. Wolfhagen, Zierenberg, Naumburg und Volkmarsen mussten je eine Bürgerwehr-Kompanie aufstellen, die zusammen ein Bürgerbataillon bildeten, das dem kurhessischen Kriegsdepartement unterstand. In der kurhessischen Verfassung vom 5.1.1831 wurde die Bürgerwehr zur dauerhaften Einrichtung mit festen Grundsätzen (Freiwilligkeit, Stärke, Bewaffnung und Befehlsgewalt).
Die Wolfhager Bürgerwehr bestand aus 7 Abteilungen zu je 12 Mann unter zwei Offizieren und drei Unterführern. Die Befehlsgewalt hatte der Bürgermeister. 189 Bürger meldeten sich anfangs freiwillig. Nur widerwillig kam die Stadt für Ausrüstung und Bewaffnung auf, für die 100 Taler aufgebracht werden mussten.
In der Folgezeit wurde der Bürgerwehr eine Fülle bürokratischer Vorschriften auferlegt, so dass den Bürgern diese bald als lästige Pflicht erschienen.
In der Märzrevolution 1848 kam es in Wolfhagen zu republikanischen Bekundungen und auch Widersetzlichkeiten gegen die Gendarmerie. Aus Angst vor größeren Ausschreitungen beschloss die Stadt, die Bürgerwehr durch die Aufstellung einer Freiwilligenschar von 145 Mann zu verstärken. Anstelle von Musketen genehmigte die Regierung nur 104 Wachstangen aus Furcht davor, auch noch die Revolution zu bewaffnen.
Im Zuge der konservativen Gegenrevolution marschierten 1850 bayrische und österreichische Truppen in Kurhessen ein. Der Kriegszustand wurde verhängt, der bis 1854 andauerte. Wolfhagen wurde mit 25 bayrischen Besatzungssoldaten belegt und die Bürgerwehr entwaffnet und aufgelöst. Die Gewehre kamen wieder in das Kassler Zeughaus, die Uniformen und übrigen Ausrüstungsgegenstände bewahrte man im Wolfhager Rathaus auf.
 



Gelesen 5192 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 01 Februar 2018 10:26